Zisterzienserkloster Eberbach

Die Abtei Eberbach, nur wenige Meilen nordwestlich der Kathedralstadt Mainz gelegen, wurde ursprünglich von Augustiner Chorherren gegründet, aber in den 1130er Jahren wurde es von Mönchen des Zisterzienserordens von Clairveaux neu gegründet. Die große neuromanische Kirche wurde 1186 geweiht. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts hatte Eberbach vier Töchterorden gegründet und war der herausragendste Zisterzienserorden im Rheinland mit einer Gemeinschaft von etwa sechzig Mönchen und zweihundert Laienbrüdern. Nur wenige Kilometer vom Rhein entfernt gelegen, lag die Abtei im Zentrum der besten Weingärten des Rheingaus, von denen einige der Abtei gestiftet waren.

Eine klösterliche Neugründung benötigt Bücher und im 12. Jahrhundert hatte Eberbach sein eigenes Skriptorium um diese herzustellen. Auch aus anderen Gebieten kamen Handschriften. Im Jahr 1233 wurden Mönche von Eberbach ausgeschickt, um die Abtei von Lorsch zu reformieren; obgleich die Reform erfolglos blieb, gelangten auf diesem Weg etwa zwanzig karolingische Handschriften aus der Abtei von Lorsch in die Bibliothek in Eberbach. Es gibt starke Hinweise auf die Verbindung zwischen Eberbach und Paris und die daraus folgenden Konsequenzen für die Büchersammlung der Abtei. Ein Meister Hugo, der in Paris studiert hatte, brachte (möglicherweise, als er in die Abtei eintrat) Handschriften mit sich, unter anderem die Predigten von Maurice de Sully und die Arbeiten von Hugo und Andrew von St. Victor (Bodleian MS. Laud Misc. 102). Im 14. Jahrhundert wurden Mönche aus Eberbach an das Zisterzienserkolleg in Paris geschickt. Dort kaufte Peter Santbecher ein Exemplar von De eruditione praedicatorum von Humbert von Romans (Bodleian MS. Laud Misc. 379) und Bruder Wilhelm gab 1340–41 einen Band von Franziskanerpredigten in Auftrag (Bodleian MS. Laud Misc. 281).

Die bedeutsamste Originalkomposition, die mit dem Orden in Verbindung gebracht wird (gefunden in Bodleian MS. Laud Misc. 238), ist Exordium magnum cisterciense (Die großen Anfänge von Cîteaux) von Konrad von Eberbach, ein Bericht über die Anfänge des Ordens mit erbaulichen Wundergeschichten, zusammengestellt Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts, als der Autor ein Mönch in Clairveaux war. Er wurde Abt in Eberbach und starb wenige Monate später, im Jahr 1221. Zu anderen Autoren zählen Prior Gebeno, der 1220 ein Pentachronon oder Speculum futurorum temporum verfasste, eine eschatologische Sammlung, die auf die Prophezeiungen von Hildegard von Bingen zurückgreift. In den 1330er oder 40er Jahren verfasste Master Gisilbertus eine Summa de dignitatibus et virtutibus clericorum et laicorum, ein Florilegium rechtlicher und patristischer Texte, das in lediglich einer einzigen Handschrift überliefert ist (Bodleian MS. Laud Misc. 632), mit ausführlichen Marginalien in der Handschrift des Autors und einer Miniatur von Gisilbertus, wie er seine Arbeit der Jungfrau Maria präsentiert. Im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts unter Abt Jakob von Eltville, der in Paris gelehrt hatte und den Theologen Heinrich von Langenstein in der Abtei zu Gast hatte, gab es eine Art Revival des Lernens.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte die Abtei eine Bibliothek von etwa 2.500 Bänden zusammengetragen. Der Bibliothekskatalog von 1502 (Wiesbaden, Hessisches Hauptstaatsarchiv, Abt. 22, 436, fols. 107r–113v: zuerst herausgegeben von Nigel Palmer – zu Details siehe weiter unten) wurde unter Abt Martin Rifflinck zusammengestellt, der in Heidelberg studiert hatte und selbst Humanist und Büchersammler war. Er offenbart, wie viele Texte in den Regalen standen, wie viele angekettet waren und welche ausgeliehen werden konnten. Palmer identifiziert neunzig Handschriften sicher, weiterhin einige wahrscheinliche und einige mögliche. Er listet auch über fünfzig Handschriften (zusammen mit einer großen Anzahl an Fragmenten) auf, die aus Eberbach stammen, im Katalog aber nicht identifizierbar sind. An liturgischen Büchern ist aus Eberbach nur wenig überliefert, allerdings gibt es andere Belege dafür, dass in der Abtei Heiligenkulte gepflegt wurden und dass sie hunderte von Relikten besaß.

Während des Dreißigjährigen Krieges in den frühen 1630er Jahren war der Orden abwechselnd von schwedischen und hessischen Truppen besetzt; die Bibliothek erlitt große Verluste, die genauen Abläufe sind jedoch ungeklärt. Die Handelsbeauftragten des Erzbischofs Laud, Kanzler der Universität Oxford, erwarben einige der Handschriften für die Bodleian und heute befindet sich die größte zusammenhängende Gruppe von überlieferten Handschriften (über einhundert) in Oxford. Die heute in London befindlichen wurden von Thomas Howard, Earl von Arundel, gekauft. Andere werden noch heute in Deutschland entdeckt, in Bibliotheken in Gießen, Wiesbaden und Wolfenbüttel. Trotz dieser Plünderungen wurde der Orden wieder aufgebaut und bis zu seiner Säkularisierung im Jahr 1803 erhielt die Bibliothek große Neuzugänge an gedruckten Büchern, bis der Bestand etwa 8.000 Bände umfasste. Heute ist die Abtei in den Händen einer gemeinnützigen Stiftung, der Stiftung Kloster Eberbach.

  • Martin Kauffmann

Weiterführende Literatur

Nigel F. Palmer, Zisterzienser und ihre Bücher. Die mittelalterliche Bibliotheksgeschichte von Kloster Eberbach im Rheingau unter besonderer Berücksichtigung der in Oxford und London aufbewahrten Handschriften (Regensburg, 1988)