Zisterzienserinnenkloster Medingen

Das heute von der Klosterkammer Hannover verwaltete evangelische Kloster Medingen wurde 1228 von einer Gruppe von Nonnen aus dem Kloster Wolmirstedt in der Diözese Magdeburg gegründet; nach mehreren Umzügen siedelte sich der Konvent 1336 in der Nähe von Bad Bevensen an. Die Nonnen folgten der Zisterzienserregel, auch wenn sie nie offiziell in den Orden inkorporiert wurden, so dass der Propst zum Säkularklerus der Diözese Verden gehörte. Die meisten Nonnen entstammten seit dem Spätmittelalter dem Lüneburger Patriziat und das Haupteinkommen bestand aus Anteilen an der dortigen Saline. Der Medinger Konvent pflegte enge Kontakte zu den anderen Frauenklöstern, wie zeitgenössische Briefe und der Austausch von Geschenken zeigen. Besonders die Verbindung zu Kloster Wienhausen, einem weiteren der Lüneburger Klöster, das der Zisterzienserregel folgte, wurde noch durch die Klosterreform 1478-79 gestärkt, bei der eine Gruppe von Wienhausen in Medingen bei der Durchführung der Reform half; die Wolfenbütteler Handschrift Ms. Helmst. 1297, die wohl in Wienhausen entstand, aber in den Fürbittgebeten Medinger Nonnen nennt, zeigt diese enge Verbindung deutlich auf. Die Wienhäuser Nonne Margarete Puffen übernahm das Amt der Priorin und setzte dann erfolgreich die Aufwertung des Amts durch, so dass sie die erste Äbtissin des Klosters wurde. Der Propst zu der Zeit, Tilemann von Bavenstedt, unterstützte die Reform, auch durch einen größeren Handschriftenauftrag in seiner Heimatstadt Hildesheim.

Besitzvermerk für Kloster Medingen auf dem um 1479 eingefügten ersten Blatt: Ordinarius ecclesie sancte Marie virginis et sancti Mauricij in Meding

Entscheidend aber ist in dem Zusammenhang, dass die Reform der Auslöser für eine verstärkte Handschriftenproduktion der Nonnen war. Einige der Bände hängen direkt mit der Reform zusammen, wie das Handbuch für den Propst (Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. liturg. e. 18) oder die Modellhandschriften, die die beiden Schwestern von Winsen 1478 schrieben: Elisabeth einen Psalter (Dombibliothek Hildesheim, Ms J 27), Winheid ein Ostergebetbuch (Dombibliothek Hildesheim, Ms J 29). In den folgenden zwei Generationen variieren die Nonnen diese Muster, beispielsweise in zwei wohl im frühen 16. Jahrhundert entstandenen Handschriften in der Bodleian, einem Ostergebetbuch (MS. Lat. liturg. f. 4) und einem Psalter, der von der letzten katholischen Cantrix, Margaret Hopes, geschrieben wurde (MS. Don. e. 248). Der andere Schwerpunkt liegt darin, die eigene Frömmigkeit weiteren Kreisen zugänglich zu machen; es entstehen niederdeutsche Gebetbücher, in denen die Betrachtungen für Lüneburger Patrizierinnen und die Laienschwestern im Kloster selbst adaptiert sind; ein gutes Beispiel dafür ist das Wolfenbütteler Gebetbuch für die Weihnachtszeit Cod. Guelf. Ms. Extrav. 300,1.

1524 unternimmt Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg einen ersten Versuch, im Kloster die Reformation einzuführen. Das führt zu einer erbitterten Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Äbtissin Margarete Stöteroggen 1542 einige der wertvollen Handschriften in das katholische Hildesheim brachte (die beiden Modellhandschriften in der Dombibliothek Hildesheim); 1554 wurde ein Kompromiss gefunden, die übrigen Handschriften wurden teilweise für den evangelischen Gottesdienst adaptiert (etwa der Bodleian Psalter), teilweise in Archivtruhen verwahrt. 1722 beschloss Äbtissin Katharina Stöteroggen, “überflüssige kostbare Sachen” zu veräußern; darunter befanden sich vermutlich die meisten Handschriften, die jetzt nach Zwischenstationen in Privatbesitz und Auktionshäusern in Institutionen in aller Welt aufbewahrt werden. Im neunzehnten Jahrhundert stießen die niederdeutschen Texte in den Handschriften auf vermehrtes Interesse von Seiten der sich ausbildenden Germanistik - Texte aus Medinger Handschriften wurden u.a. von Heinrich Hoffmann von Fallersleben herausgegeben. Aber erst Mitte des 20. Jahrhunderts wurde von dem Musikwissenschaftler Walther Lipphardt die Zusammengehörigkeit der Gruppe wiederentdeckt; er begann damit, systematisch Listen der Gebetbücher zusammenzustellen, die durch ihre Anlage, die Form ihrer Musiknotation und Marginalillustration sich Medingen zuweisen ließen.

Inzwischen lassen sich über fünfzig Handschriften mit einiger Sicherheit Medingen zuweisen; zehn davon werden in Großbritannien aufbewahrt, davon drei in der Bodleian, zwei im Victoria & Albert Museum, je eine im Keble College Oxford, University Library Cambridge, Gonville and Caius College Cambridge, der British Library und the Guildhall Library London. Kloster Medingen besteht weiterhin als evangelisches Kloster, inzwischen nach einem Brand in einem repräsentativen Gebäude des späten 18. Jahrhunderts, und hütet weitere mittelalterliche Schätze, die mit den Handschriften in Verbindung stehen, wie den Äbtissinnenstab und Statuen des Klosterpatrons St. Mauritius.

  • Henrike Lähnemann

Weiterführende Literatur